Mittwoch, 20. Mai 2015

Auslandstagebuch #5 Die Sache mit der Gastfamilie

Hallo meine Lieben!
Ich bins und melde mich mal wieder mit einem neuen Post. Zwar habe ich letztes mal gesagt das ich in meinem nächsten Post von meiner Gastfamilie erzählen will, aber leider habe ich bisher immer noch keine. Da ich weiß, dass ich nicht die einzige bin, die noch warten muss, dachte ich mir schreibe ich doch einfach mal das aus, was ich darüber denke und ich glaube, dass viele Austauschschüler die gleichen Gedanken darüber haben.
Also fangen wir doch einfach mal an:

Punkt 1: Als Austauschschüler hat man, egal bei welcher Organisation, die Aufgabe einen Gastfamilienbrief zu schreiben. Je nach Orga unterscheidet sich höchstens, wie lang der Brief sein sollte und evtl. sind Vorschläge für den Inhalt gegeben. Ich persönlich fand es relativ anspruchsvoll, weil mir es nicht leicht fällt über mich zu reden. Aber am schwierigsten ist es wohl, dass man selber entscheiden muss Was soll in den Brief rein und Was ist zu viel unwichtige Information. Wenn man diesen Brief dann, nach langem hin und her und hier noch ne Zeile weg und da noch ein Wörtchen korrigieren (versteht sich hoffentlich von selbst das der Brief auf englisch sein muss) fertig gestellt hat und einigermaßen zufrieden drüber schaut, ist man einfach nur froh das man endlich fertig ist und rührt diesen Brief nicht mehr an. Nun also, da schon so viele Leute von deiner Organisation eine Gastfamilie haben, fragt man sich natürlich 'Warum habe ich noch keine Familie?'.  Liegt es daran das ich zu unfreundlich in meinem Brief war? Hab ich zu viele Rechtschreib- und Grammatikfehler gemacht? War mein Brief zu schleimerisch? An was liegt es verdammt? Ganz einfach: Es liegt daran das du vielleicht nicht die Vorstellung der Gastfamilie erfüllst. Nicht weil du zu unhöflich oder zu unsympathisch gewirkt hast, sondern vielleicht einfach weil du ein Mädchen bist, aber sie lieber einen Jungen wollen, damit ihr Sohn den lang ersehnten Bruder hat oder vielleicht auch weil du ein Instrument spielst, wie z.B Klavier, aber die Gastfamilie nicht damit dienen kann, weil sie absolut unmusikalisch ist. Aber das ist doch überhaupt nicht schlimm. Deshalb wird ja so lange nach einer Familie gesucht. Damit sie so ist wie du es dir vorstellst, und damit du so bist, wie sie es sich vorstellen.

Punkt 2: Mit Abstand das zeitaufwändigste ist die Online Applikation. Du hast das Gefühl als würden diese Fragen kein Ende nehmen. Du wirst nach Hobbys ausgefragt und musst beantworten was du in verschiedenen Situationen (Probleme die in der Gastfamilie auftreten könnten) machen würdest. Auch wirst du gefragt ob du Probleme mit einer dunkelhäutigen, sexuell anders orientierten oder alleinerziehenden Gastfamilie hast. Bei so vielen Fragen wird sich irgendwann im Laufe der Wartezeit auf deine Gastfamilie die Frage bei dir breit machen 'Hätte ich vielleicht besser gesagt das ich total sportlich bin und jede Sportart gerne mache' oder 'Hätte ich vielleicht besser angegeben das ich geduldig bin und total fleißig in der Schule'. Ach ja und die Favoritenaussage meines Vaters 'Du hättest besser angegeben das du wöchentlich mit der Gastfamilie in die Kirche gehen würdest und nicht nur monatlich. Und du hättest ankreuzen sollen das du auch in Deutschland oft in die Kirche gehst.' Klar denkt man nur noch daran was man hätte besser machen müssen. Aber das ist völliger Quatsch. Deine Gastfamilie will, dass du dich bei ihr wohlfühlst und wenn du halt nicht so sportlich bist, dann kommst du halt zu einer Familie die nicht an jedem Marathon teilnimmt. Dafür laufen sie aber genauso gerne wie du Ski oder Snowboard. 

Punkt 3: Das aller schlimmste was man einem Austauschschüler antun kann.. Die Fragerei. Egal ob Lehrer, Familie, Freunde, Bekannte. ALLE die von deinem Auslandsjahr wissen werden dich immer wenn sich die Gelegenheit ergibt fragen: 'Weisst du wo du hin kommst?' 'Wann fliegst du?' 'Hast du schon deine Familie?' 'Bist du schon aufgeregt?' Ich verwette alles darauf, dass jeder Austauschschüler schon mal eine dieser Fragen gestellt bekommen hat. Ich verrate euch jetzt mal was: NATÜRLICH SIND WIR AUFGEREGT. WER WÄRE BITTE NICHT AUFGEREGT, WENN MAN SICH FÜR EIN JAHR ALLEINE AUF DEN WEG IN EINE ANDERE WELT MACHT? UND NATÜRLICH HÄTTE ICH DIR SCHON LÄNGST ERZÄHLT WENN ICH IRGENDWAS NEUES WISSEN WÜRDE, WEIL DAS MOMENTAN ALLES IST WAS MICH BESCHÄFTGT. Jetzt mal im Ernst. Es ist so aufmerksam und lieb wenn man danach fragt ob man irgendetwas weiss oder ob man aufgeregt ist. Aber wenn man diese Fragen von einer Person alle 2 Stunden gestellt bekommt, dann ist es einfach nur nervig und vor allem tut es irgendwann weh, weil die Zeit immer mehr vergeht und man immer noch nicht die Antwort geben kann die dein Fragensteller hören will.

Zusammenfassung: Ihr Lieben! Es ist ganz wichtig das ihr bei euren gesamten Bewerbungsunterlagen so seid wie ihr seid. Es gibt doch nichts schlimmeres wenn du angibst das du so gerne und so oft in die Kirche gehst und die Gastfamilie dann immer von dir erwartet an jeder kirchlichen Veranstaltung teilzunehmen. Oder noch schlimmer du erzählst das du total gut Geige spielst und als deine Gastfamilie dann mal ein schönes Stück von dir hören will, reißen auf einmal alle Saiten, weil du so schief spielst. Seid ehrlich zu eurer zukünftigen Gastfamilie und vor allem zu euch selbst. Es ist normal das es lange dauert, bis eine Gastfamilie für dich gefunden wird, denn du wirst ein Jahr dort leben, also soll sie perfekt sein. Also mach dir keine Gedanken. Die Sorgen kannst du dir aufheben, wenn du eine Woche vor dem letzten Abflugtermin immer noch keine hast. Und zu euch lieben netten Menschen da draussen die einen Austauschschüler kennen: Es ist schön, wenn ihr euch so sehr dafür interessiert und es ist toll wenn ihr mal nachfragt. Aber ihr könnt mir glauben, sobald man seine Gastfamilie bekommt, werdet ihr davon erfahren und dann werden wir euch damit nerven, indem wir euch jeden Tag genau das gleiche über unsere Familie erzählen werden. :)

In diesem Sinne
Eure Annika

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